• Universalkomparsen

  • otto_incognito
    Universalkomparsen
    Vor einigen Tagen war die Pegida, hier in Köln natürlich unter dem Namen Kögida, unterwegs. Da der Ausgangsort ihrer Demo der Ottoplatz vor dem Deutzer Bahnhof, just fünf Gehminuten von meiner Behausung entfernt gelegen ist, schlüpfte ich in meinen Abendanzug und lustwandelte gen Bahnhof, um dort anläßlich eines abendlichen Spazierganges mich von leibhaftig-epochalen Ereignissen aufrütteln zu lassen.
    Der Anblick, der sich bot, war enttäuschend .Auf der rechten Seite des Platzes stand ein verlorenes Häuflein von Patrioten, die meisten hielten an Stöcke gebundene Pappen mit Sinnsprüchen empor ,sagten aber nicht viel. Auf der linken Seite, durch ein Spalier von Polizisten abgeschirmt, hatte sich eine doch etwas zahlreicher,bunt zusammengewürfelte Schar eingefunden, Alternative, Bürger jeglicher Colour, Antifa´s und auch ein paar vom schwarzen Block waren dabei und zusammen skandierten sie fäusteschüttelnd :"Nie wieder Faschismus!", "Nieder mit der braunen Brut!" und "Kein Mensch ist illegal!" (letzterer Spruch ist übrigens der einzige derart,daß er mir in jüngeren Jahren sogar eine Art Gefühl abringen konnte) - jedenfalls, es tat sich nicht viel ."Das ist aber langweilig" wandte ich mich an einen der Polizisten,"geht das schon die ganze Zeit so?" "Ja", sagte er kummervoll, schon seit Stunden!"
    Da faßte ich einen Entschluß und er packte mich.
    Ich rannte auf die linke Seite ( warum links - das war wohl ein aus dem Moment entstandener Zufallsentschluß ) direkt auf einen Antifa-Typen zu und rief ihm begeistert zu : "Junge, ich hab´eine Idee zur Auflockerung!.Redet miteinander,und sei es nur heute Abend! Dort steht die Presse, die Medien sind ganz Ohr - Schließlich steht doch jeder hier, egal ob auf der rechten oder linken Seite, weil er sich mal Gedanken gemacht hat, hoffe ich jedenfalls. Warum also nicht Reden? Also - Startet doch mal mit den Pegidas einen verbalen Schlagabtausch vor laufender Kamera! Los, Jungs, möge der Bessere gewinnen!"
    Da war ich aber an den rechten Linken geraten.Nach einem kurzen Blick auf meinen Abendanzug winkte der Antifa seine Kumpels herbei und mit den Worten "Du Moff, du gehörst nicht zu uns. Sieh zu, daß du Land gewinnst!" packten sie mich und schmissen mich in hohem Bogen in die Pegida-Gruppe. Dort landete ich in den Armen eines einsamen, versprengten Skin-Heads, der schnupperte kurz an mir, wurde gelb im Gesicht und "Du gehörst erst recht nicht hierher!" röhrend, warf er mich brutal zurück auf die linke Seite .
    So ergab sich dann doch ein Schlagabtausch, nicht ganz in dem von mir angestrebten Sinne, aber derart daß ich, über das Spalier von Polizisten hinweg, von einer Seite auf die andere und zurück geworfen wurde, während die wackeren Beamten, ratlos mit den Blicken meiner Flugbahn folgten, ihre Köpfe von links nach rechts und wieder nach links wendend, nicht wissend, wie sie dieser unvorhergesehenen Entwicklung der Ereignisse begegnen sollten.Schlußendlich fing mich einer vom schwarzen Block auf und schmetterte mich zurück ins gegnerische Lager, wo ich mit roher Wucht gegen eine beschriftete Pappe knallte. Im Herunterrutschen las ich "Kartoffeln statt Döner!" und etwas weiter unten , auf der Höhe des Gesichtes des Bannerhalters angekommen, zischte ich ihm zu: "Elender, dein Spruch ist ein literarisches Kapitalverbrechen - und wofür das?!" und damit war ich auf dem Boden des armen, entweihten Ottoplatzes angekommen.
    Unverzüglich ereignete sich Unerwartetes. Der unglückliche Demonstrant, hochrot im Gesicht, warf das Pamphlet von sich, ergriff mich, flüsterte mir zu :"Komm mal mit!" und schleifte mich ins nächste Gebüsch, wo uns keiner sehen konnte. Dort machte er mir ein Geständnis.
    "ich verrate dir jetzt mal was, aber sag es keinem weiter. Ich schäme mich ja so. Als ich das Plakat entgegennahm, wäre ich selber fast im Boden versunken, aber es war zu spät. Der Vertrag war unterschrieben und mein Geld hatte ich auch schon bekommen. Ja, du wunderst dich - ich bin nämlich Gelegenheitskomparse, und das Arbeitsamt vermittelt Leute wie mich immer, wenn z.B. eine angemeldete Demo an innerer Auszehrungzugrunde zu gehen droht und dann leihen sich die Veranstalter vom Jobcenter gerne mal so Leute wie mich aus, um die sich lichtenden Reihen aufzufüllen..."
    "Hä?" fragte ich.
    "Ja, das hast du doch gesehen.Gerade mal 250 Demonstranten hier in Köln und jetzt rate mal, wieviele Pegidas de facto hier stünden, ohne die großzügige Unterstützung durch das Jobcenter...Na?"
    Ich wollte es gar nicht wissen. Unmutig sagte ich:" Warum läßt man es dann nicht, die Demo fällt aus und alle geh´n nach Haus? Und wer genau bezahlt euch überhaupt? "
    "Ach, Finanzierung ist kein Problem,Sponsoren finden sich immer, denk` nur mal allein an diverse berühmte Musikanten, überhaupt viele Mediengrößen, die den selbstlosen, heldenhaften Kampf gegen Rechts auf ihr Label geschrieben haben - und denkmal an viele ihrer Fans und andere, die sich aufführen wie die Wiedergänger ihrer eigenen Großväter, die damals irgendwie die Reichskristallnacht verschlafen haben und an deren Stelle sie jetzt zu Helden des Widerstandes werden. Das ist ein wichtiges psychologisches Moment. Da sollte Geld doch keine Rolle spielen!"
    Ich versank in Schweigen. Ich dachte nach.
    Eine verlockende Einkommensquelle schien sich mir aufzutun.
    "Nur eins noch!" fragte ich ihn, "wenn ich das jetzt auch machen würde, hätte ich dann Einfluß auf die gestalterischen Mittel bei so einer Demo? Ich wüßte da so Einiges. Aber ein Banner mit dem Spruch `Kartoffeln statt Döner`vor mir herzutragen, wäre schon eine ziemliche literarische Niederlage..."
    "Hm, ich verstehe, was du meinst . Nein. Leider geht das nicht. Für die Ausstattung der Komparsen hat das Job-Center extra eine Qualitätsmanagement-Agentur, eine teure dazu, beauftragt!"
    Da nahm ich Abstand, kroch aus dem Gebüsch und ging nach Haus.
    ,


    Mein Motto:
    Ich befinde mich in dauerndem Streit mit oTTo.
    Gruß,OttO
  • absurd-real
  • El-Meky
    OTTIDA

    junge europäische Selbstmörder gedenken, öffentlich eine Mohammedkarrikatur zu malen.....
    um noch schnell berühmt zu werden....
  • Frank Enrechen
    danke Oooo, mit dieser geschichte, vor dem zu bett gehen, da schlafe ich sicherlich wohl. :D
  • El-Meky

    danke Oooo, mit dieser geschichte, vor dem zu bett gehen, da schlafe ich sicherlich wohl. :D


    Mich hat OttO's Erlebnis eher aufgewühlt....

    Signatur
  • otto_incognito
    Das freut mich!
    So haben meine schröcklichen Erlebnisse auf
    dem Ottoplatz doch noch ihr Gutes gehabt!
    Gruß.Oooo
  • El-Meky
  • Guru
    ...ich gedenke demnächst eine bissige Gurukarikatur zu zeichnen, etwas mulmig ist mir schon
    allahs wird gut - marsala!
  • otto_incognito




    Mich hat OttO's Erlebnis eher aufgewühlt....


    Daß dieses Erlebnis zum Teil eine Metapher ist,
    ist, fürchte ich, auch kein Trost ;)
    Ich habe aber noch eine ähnliche Geschichte er-
    lebt und die ist 100%ig echt.
    Die erzähle ich mal Morgen.
    :D

  • El-Meky





    Ich habe aber noch eine ähnliche Geschichte er-
    lebt und die ist 100%ig echt.
    Die erzähle ich mal Morgen.
    :D



    aber jezze ist doch schon morgen!! :-/

  • El-Meky
    oLLo und eTTa
    Bald ist morgen vorbei und ein neuer Morgen beginnt ;-))
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  • otto_incognito
    Universalkomparsen, die zweite
    Vor etlichen Jahren hatte ich mal bei diversen Agenturen für Kleindarsteller und Komparsen meine Unterlagen hinterlassen und ab und zu bekam ich ein Dreh-Angebot und so es mir zeitlich auskam, nahm ich es an. So erhielt ich auch mal, über dreizehn Jahre mag das her sein, einen Anruf: "Na, Otto, haben Sie kurzfristig Zeit? Dann finden Sie sich doch bitte morgen, Dienstag früh um 9 Uhr in den Düsseldorfer Rheinauen ein!" Ich sagte zu, stiefelte am nächsten Morgen zum Deutzer Bahnhof, fuhr los und fand mich ein. Am Düsseldorfer Rheinufer traf ich auf etwa 200! weitere Komparsen und ich freute mich. "Na,das wird ja spannend",dachte ich mir " wir sind bestimmt hierher bestellt, um bei einer opulenten Massenszene in einem künstlerisch wertvollen Film mitzuwirken!" und hielt mich schon bereit, um den sicher gleich hier auftauchenden Herrn Greenaway die Hand zu schütteln.
    Statt dessen aber erschien die Regieassistentin, klärte uns darüber auf, daß wir einen Demonstrationszug durch Düsseldorf zu mimen hätten und schon wurden Tröten, Banner und Plakate an uns verteilt, auf denen standen so Sachen wie:"Moderne Zeiten - aber nicht für uns?!" und: "Demokratie für Alle- und wo bleiben wir?" oder "Videothekenbetreiber kämpfen um ihre Rechte!". Ich trug ein Plakat,auf dem stand:"Wir schneiden die alten Zöpfe ab!" Wir wurden angewiesen, kreuz und quer durch D-dorf zu laufen, Endstation Haubtbahnhof. Wir trotteten los, die Kameramänner hinterdrein. Der offenkundigen Sinnlosigkeit der Situation und den Blicken der Passanten ausgesetzt, begannen wir auf der KÖ rumzualbern und uns spielerisch die Plakate um die Ohren zu hauen.
    Da rief uns die Regieassistenz zu Ruhe und meinte, wir sollten uns mal zusammenreißen, wir wären hier schließlich nicht zum Spaß, außerdem wäre es nicht mehr weit zum Bahnhof.
    "Was ist denn das hier überhaupt für ein Film?" fragte einer. "Das ist kein Film" sagte sie und klärte uns auf.
    Folgendermaßen: Der Betreiber der damals größten in D-dorf ansässige Videothek, die am Bahnhof, da, wo auch unsere "Demo" hinsteuerte. hatte eine Petition eingereicht, derzufolge für ihn die Ladenschlußzeiten aufgehoben werden sollten, sprich; er wollte die Videothek auch Sonntags öffnen dürfen. Dieses Ansinnen war abschlägig beschieden worden und daraufhin kam ihm die grandiose Idee. einen Demonstrationszug nordrhein-westfälischer Videothekeninhaber zu organisieren, nur, leider blieben die Mitstreiter aus. Daraufhin verfiel er auf den begnadeten Gedanken, das Ganze an eine Agentur zu delegieren und sich die Demonstranten für gutes Geld nach D-dorf kommen zu lassen. Ich wußte nicht, ob ich lachen oder vor Scham vergehen sollte. Am liebsten wäre ich gegangen, aber wir hatten unser Geld noch nicht. "Komm", sagte einer neben mir, "wir sind gleich da, dann ist der Spuk vorbei". Wir gingen weiter und das Schlimmste kam noch. Vor der Videothek stand ein Trupp "Soldaten", fünf von ihnen sogar hoch zu Roß, gekleidet in preußisch anmutende Phantasiuniformen, mit hochgezwirbelten Schnurrbärten und Pickelhauben aus Pappmache auf dem Kopf und nun wurden wir angewiesem, zu guter Letzt, und während der Videobetreiber breitbeinig vor seinem Laden stand, die Fäuste gegen die Kürassiere ballen und zu skandieren: "Gegen den Untertanengeist, gegen Obrigkeitsgläubigkeit und gegen Gesetze, die noch aus der Kaiserzeit stammen!" Das gab mir zu denken, ich hätte nie vermutet, daß Videothekenbetreiber schon im 19. Jahrhundert so restriktiv behandelt worden sind.Da plötzlich bemerkte ich die Kamera. die mich und den Reitersmann neben mir in die Totale nahm. Ich wollte mich schleunigst hinter meinem Plakat verstecken . Zu spät. Ich war im Kasten. Der Videobetreiber bedankte sich bei uns allen und bei dem Filmteam und so erfuhren wir, daß diese Aufnahmen in der Aktuellen Stunde des WDR ausgestrahlt würden, als Teil einer Reportage über den " Kampf der Videothekeninhaber gegen die Ladenschlußgesetze" und zwar noch heute Abend.
    Ich saß im Zug nach Köln, bittergram und innerlich fluchend."Oh. Zeus!", betete ich, "Wenn ich an dich glauben täte.
    bäte ich dich darum, sofort und mit einem Blitzschlag das gesamte Equipment des Kamerateams stillzulegen, NUR DAMIT DIESER MIST NICHT HEUTE UND ÜBERHAUPT NIEMALS IM FERNSEHEN GESENDET WIRD!"
    Vom Deutzer Bahnhof wanderte ich verdrießlich nach Hause, daß eine merkwürdige Stille, und zwar an einem gewöhnlichen Dienstag Früh-Nachmittag, in der Luft lag, nahm ich so am Rande auch noch wahr Daheim kam mir sofort mein Mitbewohner entgegen und schleifte mich vor den Fernseher, wo gerade ein Flugzeug in einen Wolkenkratzer raste.
    Ich wollte gerade sagen, daß er (mein Mitbewohner) doch wisse, daß mich Action.Thriller ziemlich langweilen, da
    schaute ich nochmals hin....
    Den Rest dieses Tages verbrachte ich wie Millionen Andere auch, erstarrt und gebannt angesichts dessen, was sich auf dem Fernsehschirm in gigantisch-penetrierender Gleichförmigkeit wiederholte.
    Die Düsseldorfer Demogeschichte wurde an diesem Tag, dem 11.September 2001, natürlich nicht gesendet und auch an keinem anderen mehr.
    Mein Motto:
    Ich befinde mich in dauerndem Streit mit oTTo.
    Gruß,OttO
  • Frank Enrechen
    ich hatte das damals erst im autoradio, auf dem nachhauseweg von der arbeit erfahren.
    kann mich noch gut erinnern, das der radiosprecher sagte: "new york liegt in schutt und asche"......ganz hat das zum glück ja dann nun nicht gestimmt.
    heftig, wie lange das schon her ist...gefühlt hätte ich 5 jahre oder so gesagt.
  • otto_incognito
    Universalkomparsen, die dritte
    An einem der letzten spätsommerlichen Tage entführte mich mein Fahrrad auf einer meiner Touren mal wieder in entlegene, mir bisher unbekannte Gefilde. Das kommt immer wieder vor, trotz der vielen Jahre, die ich schon in dieser wunderschönen, eigentümlichen Stadt lebe. Jedenfalls, irgendwo zwischen Flittard und Leverkusen hatte ich mich verfahren und kurvte in einer kargen Siedlung umher und suchte den Ausgang. Die Häuser standen reihenweise, wie mehrstöckige Baracken auf rostfarbenem ,lehmigen Rasen, dazwischen ein paar Bänke, davor standen fünfzehnjährige Mütter mit ihren Kinderwagen und schäkerten mit siebzehnjährigen Jungmännern, die mit ihren Bierkästen auf den Bänken saßen und Frühschoppen hielten. Es war Sonntagnachmittag,
    Gerade, als ich aus der Siedlung rausfuhr, sah ich vor dem letzten Haus im Vorgarten eine kleine Gesellschaft, die sich zum Grillen eingefunden hatte. Alles war vollständig, der Grill stand da, drumherum wackere Kerle mit Käppi und Sportdress, wohlgeformte Mädchen hielten Pappteller und Plastikgabeln, ein Kind vergnügte sich auf einem Bobby-Car und - keiner bewegte sich
    Der Grill war kalt, die Pappteller waren leer. Die kleine Gesellschaft bestand samt und sonders aus Schaufensterpuppen und rührte sich nicht, dafür fiel ich beinahe vom Fahrrad, als ich sah, daß direkt hinter dieser Inszenierung die eigentlichen Hausbewohner und mutmaßlichen Urheber dieses Bildes auf einer Bank vor dem Hauseingang saßen, neben einer überquellendem Mülltonne, rauchend und Bier trinkend. Die Leute sprachen mich dann auch an und wir unterhielten uns ein bißchen und ich dachte derweil an den Photoapparat in meiner Fahrradtasche.
    Wie gerne hätte ich dieses Bild verewigt, aber ein kleiner, überhöflicher Teufel saß auf meiner Schulter und flüsterte mir zu: "Laß es sein, Otto!"
    Ich gehorchte, verabschiedete mich und fuhr fort.
    Als ich letzens wieder vorbeikam, stand das ganze Arrangement immer noch so da.
    Ich werde mal im Winter vorbeischauen.




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  • efwe
    seit langem nicht hat mich text so zum lachen gebracht - supa-
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  • otto_incognito
    Universalkomparsen, die vierte
    Nach einem tiefen Blick in die Haushaltskasse beschloß ich, einem Nebenjob nachzugehen und bewarb mich als Aushilfslehrer bei einer Abend-Mal-Schule. Alles lief wunderbar, ich hatte die mündliche Zusage sozusagen schon in der Tasche, als ich erfuhr, daß noch eine klitzekleine Hürde zu nehmen war.
    Und zwar sollte ich in einem Gespräch mit einem Vertreter des psychologischen Qualitätsmanagement dieses künstlerischen Institutes meine seelische Festigkeit, die für solche Aufgabe unerläßlich ist, unter Beweis stellen.
    "Das schaff´ich doch mit links!" lachte ich.
    Ich wollte den Job unbedingt.
    oTTo hingegen war um Einiges bedenklicher und als der Termin da war, sprach er: "Also, OttO, ich hab jetzt mal alle Fragen, die man an dich richten könnte, zusammengeschrieben, dazu die geschicktesten Antworten, die du geben solltest und in deine Aktentasche getan. Also, nimm sie mit und paß bloß auf, daß du sie unterwegs nicht verlierst.
    Und nun Viel Glück und ab mit dir!"
    otto`s Sorgen hatten mich nun doch angesteckt und ängstlich beäugte ich, in der Straßenbahn sitzend, meine Tasche, zusätzlich beunruhigt durch den Umstand, daß ich fünfmal umsteigen mußte, bevor ich mein Ziel erreicht haben würde.
    Immer wieder schärfte ich mir ein: "Denk an die Tasche ,OttO!"
    Tatsächlich gelang es mir bei fast jedem Umsteigen, die Tasche in die nächste Bahn mit hinüber zu retten.
    Außer beim vierten Mal. Ich war aus der Straßenbahn herausgesprungen, um meine letzte Station, eine Bushaltestelle, zu meistern, als ich entsetzt feststellte, daß ich meine Tasche hatte liegenlassen.
    Ich saß im Wartehäuschen und weinte bitterlich.
    Eine ältere Dame, die dies sah, kam zu mir her und hielt mir einen beschriebenen Zettel mit einzelne Worten und Zahlen hin. Verständnislos blickte ich durch einen Schleier von Tränen auf das Papier und sagte unmutig: "Gute Frau, ich finde es ja rührend, daß Sie mir hier eine Liste mit Ihren Lieblingsworte offerieren wollen, aber gerade in diesem Moment bin ich zu unglücklich, um dies zu würdigen."
    Etwas gekränkt zog sie das Papier zurück und sprach:" Junger Mann*, wer hat in seiner Unachtsamkeit seine Tasche liegenlassen? Na? Und wer hat, geistesgegenwärtig, alles Zweckdienliche notiert, damit diese Tasche möglichst schnell wieder aufgefunden wird? Also, Junge - hier steht alles, die Uhrzeit, als deine Bahn hier
    abgefahren ist, ein Lageplan dieser und aller angrenzenden Straßen und ein Verzeichnis der KFZ-Nummern der
    zu diesem Zeitpunkt hier parkenden Wagen! Mehr Beweise braucht es nicht"
    Oh, wunderbare alte Dame. Ich kniete dankerfüllt vor ihr nieder, entriß ihr das Papier und rannte Richtung Kölner Verkehrsbetriebe. Dort, in der Schalterhalle, schmiß ich es, keuchend und abgekämpft, einem Angestellten hin und forderte die Herausgabe meiner Tasche.
    "Hm. hm, mal ganz ruhig, junger Mann* ", meinte er, zog den Wisch zu sich heran, um ihn eingehend zu studieren.
    "Sie sind ja ein ganz Schlauer!", bekam ich dann zu hören, "das liest sich ja insgesamt recht stimmig - aber! Überlegen Sie mal, die alte Dame hat, während sie das Beweismaterial zusammenschrieb, noch gar nicht wissen können, was Ihnen kurz zuvor passiert ist. Leider können wir dies als Beweismaterial nicht akzeptieren."
    Da war ich in eine schöne Falle geraten.
    Mein Termin war geplatzt und somit der Traum von einer Berufung zum künstlerischen Aushilfslehrer und auch meine Tasche blieb verschwunden.
    Erst einige Monate später hörte ich, daß sie bei der halbjährlichen Auktion der Kölner Verkehrsbetriebe für gefundene und nicht abgeholte Gegenstände versteigert worden ist.

    *"Junger Mann" als Anrede ist hier irreführend, da in Köln Alles und Jedes so angeredet wird
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  • El-Meky
    ich sahs schon kommen

    Das das so kommen musste, habe ich als Hellseherin schon lange gewusst.
    und,
    lieber Otto, ich sah auch vor meinem geistigen Auge, dass du mit diesem angestrebten Nebenjob nicht glücklich geworden wärest, denn ausgerechnet zu diesem Semester-Abendkurs, den du im Malen unterrichten wolltest,
    haben sich die miesesten Ganoven von Köln angemeldet, bzw. ihre Ehefrauen hatten ihnen diesen Kurs letztes Jahr zum Nikolaus geschenkt und jetzt haben diese schweren Jungs nicht nur Rache geschworen, nein
    sie wollten diesen abendlichen Malkurs sabotieren, indem sie als erstes den anwesenden Lehrer (das wärst du in diesem Fall gewesen) an die Leinwand nageln und verkehrtherum aus dem Fenster (1.Stock) hängen.
    Ich mag garnicht weiter erzählen, was sich dann noch so abspielte. zu Guterletzt jedenfalls würde die schuleigene Gemeinschaftsfarbe von den Wildesten unter den Kerlen in deine Aktentasche geschüttet .

    Sei froh, das alles so kam, wie es kam!!

    Gruß
    Signatur
  • otto_incognito
    Liebe Ella, ich bin gerührt ob deiner Sorge - doch, ach, weh, was die Kristallkugel auf dein
    geistiges Auge reflektierte, war nicht das, was es scheinte. Nein! Die Ganoven waren ver-
    kleidete Kölner Galeristen, die in der unscheinberen, kleinen Abendmalakademie incognito
    ein hemmungsloses Art-Brut-Festival veranstalteten.
    Wie gerne wäre ich dabei gewesen, hätte dies doch einen entscheidenden Tritt nach oben
    auf der Strickleiter meiner Karriere bedeuten können.

    mit unglücklichem Gruß!
    Signatur
  • El-Meky
    Lieber Otto,
    es ist grausam, mitanzusehen, wie unglücklich du bist.

    Meine Glaskugel hab ich zertöppert und dafür meine Karten hervorgeholt,
    um nocheinmal einen Blick in deine Zukunft zu werfen.

    Ich sehe Blitzlichtgewitter,
    ich sehe Damen, deren Röcke vom Winde hochfliegen und ihre entblößte Scham freigeben,
    Ich sehe Mäuse, die auf dem Tisch rumspringen und einem belesenen Königskater das Futterchen wegfressen.
    Ich sehe zwei Herren mit O-Beinen, die sich am laufenden Band streiten,
    ich sehe wie denen der Kaspar den Friedensnobelpreis überreicht,
    ich sehe .Sonnenschein und Wolkenbruch,
    ich sehe Glückstropfen vom Himmel fallen...

    Ich hoffe, ich konnte dich etwas trösten und deinen Weg mit Zuversicht pflastern!

    liebste Grüsse!
    Signatur
  • otto_incognito
    Gerührt und Getrocknet

    DANKE! Endlich ward meine wahre zukünftige Größe, auch wenn ich zu dieser erst noch anwachsen muß,
    erkannt. Ich bin so gerührt, daß ich zwei Tage durchgeweint habe. Jetzt bin ich zudem auch noch ausgetrocknet.
    Signatur
  • otto_incognito
    Universalkomparsen, die fünfte - eine wahre Geschichte aus der Villa Kunterbunt

    In dem Haus, in dem ich wohne, sind viele dazu übergegangen, einen nicht
    unbeträchtlichen Teil ihres Konsums online abzuwickeln. Auch ich bestelle
    ab und zu gerne (unhandliche) Teile über´s Internet. Mein direkter Türnachbar
    ist ein rüstiger Achtzigjähriger, der schon in diesem Hause geboren wurde.
    Auch er ist mit der Zeit gegangen und läßt sich gerne per DHL beliefern.
    Fast täglich werden Pakete und Päckchen in unser Haus getragen. Unser
    Lieferant ist ein kleiner, schmaler Muslim, der aber beim Nach-Oben-Trans-
    portieren der Pakete durchaus beachtliche Kräfte entwickelt.
    Vor einiger Zeit kam ich nach Hause und sah meinen Nachbarn in seiner
    Tür stehen, wie er mißtrauisch ein Päckchen beäugte, das ihn der völlig
    ratlose DHL-Bote entgegenhielt. "Ich weiß ja nicht, ob ich das jetzt annehmen
    soll," hörte ich meinen Nachbarn sagen, und: "Da ist doch hoffentlich kein Spreng-
    stoff drin, oder...?"
    So schnell ich konnte, schloß ich meine Tür auf, um mich und meinen Lach-
    anfall vor der Welt in Sicherheit zu bringen.
    "Na, geben Sie schon her, ich hab´s ja schließlich bestellt" hörte ich ihn noch
    sagen. Dann war Ruhe.
    Kurz darauf mußte ich die Erfahrung machen, daß er auch vor anderen Ethnien
    kein Halten kennt. Ächzend und schwer bepackt mit Einkaufstüten schleppte
    ich mich die Treppe hoch, da stürmte er mir entgegen und rief so laut, daß es
    vom Keller bis zum Dachboden widerhallte: "Herr Otto! Ich habe gesehen, daß
    bei Ihnen die ganze Nacht das Licht gebrannt hat!! Da dachte ich, Ihre Katze ist
    gestorben!!! Herr Otto, ist Ihre Katze endlich tot?"
    Schwer getroffen und außer Atem krächzte ich: "Nein,lieber Herr Nachbar, meine
    Katze erfreut sich leider bester Gesundheit und ich lebe auch noch!"
    Daraufhin war Rache angesagt. Meistens bin ich relativ gutmütig, aber meinen
    lieben Castor darf man nicht beleidigen!
    Ich durchstöberte im Internet bei amazone die Abteilungfür kriegerisches Zubehör
    und bestellte mir per Eilzustellung einen Rammbock und dazu ein Kettenhemd.
    Schon am nächsten Tag kam die Ware, und als der Lieferant die wuchtigen Teile
    die Haustreppe hochstemmte, lief ich ihm entgegen und rief: "Ich danke dir, Bruder,
    daß du dich noch in diese Haus wagst - und ärgere dich nicht über meinen Nach-
    barn. Er ist eigentlich ein ganz netter Kuffar und meint es nicht so. Möge Allah
    Nachsicht mit ihm üben!"
    Dann nahm ich Rammbock und Kettenhemd und schleppte sie in meine Hütte.
    Zuerst stand der Bote wie vom Blitz getroffen, aber dann hörte ich ihn, durch die
    geschlossene Tür, ziemlich laut lachen, als er das Haus verließ.
    Immer, wenn er jetzt in seinem DHL-Wagen an mir vorbeifährt, winkt er, ich
    winke zurück und dann müssen wir lachen.
    Ich dachte, ich schreib´den Quatsch mal auf, denn abgesehen von Rüstung
    und Rammbock ist die Geschichte wahr.

    Mein Motto:
    Ich befinde mich in dauerndem Streit mit oTTo.
    Gruß,OttO
  • , 7

    sehr schöne geschichte, lieber otto.
  • otto_incognito
    Salem aleikum, lieber schlmpf, ich danke dir, und ich danke meinem
    Nachbarn, dem DHL-Boten und Allen, die mir durch ihr schicksalhaftes
    Auftreten die Erleuchtung brachten Das größte Lob jedoch gebührt
    Allah, der sie führte und das Feuer des Glaubens in mir entfachte! :D
    Signatur
  • otto_incognito
    Universalkomparsen retten DATEN, die sechste

    Vor einigen Tagen war ich mal wieder im Fitneßstudio meines Vertrauens, wo ich regelmäßig
    meine Muskeln stähle. Mit einer individuell auf den Kunden zugeschnittenen Liste läuft man
    dann dort rum und stellt auf jedem der wuchtigen Geräte seine zu stemmenden Gewichte ein
    und legt los.
    Neuerdings gibt es ein besonderes Gerät, da sitzt man einfach vor einem Bildschirm, darauf
    erscheint auf Knopfdruck der gewünschte Schwierigkeitsgrad und dann ein Pfeil, der durch
    Verlauf und Geschwindigkeit die zu leistenden Muskelkontraktionen vorgibt. Dieser Linie
    folgend, kann man sich vonl LevelzuLevelzuLevel hocharbeiten, bis man nicht mehr kann
    und dann erscheint eine Diagramm mit einer Kurve und man sieht, was man geschafft hat.
    Ich liebe dieses Gerät, allerdings erfordert es ungeteilteKonzentration, und so war ich schon
    etwas genervt, als ein etwas älterer Kunde sich neben mich stellte, mich unentwegt ansah
    und ostentativ darauf wartete, daß das Ding für ihn frei würde. Bald war ich fertig und überließ
    hm meinen Platz.
    Aber statt sich zu setzen, blickte er entgeistert auf den Bildschirm und eilte mir hinterher.
    Etwas agressiv lächelnd und in durchaus lehrerhafter Manier sprach er also zu mir:" Sie
    haben die AUS-Taste nicht gedrückt! Da kann ja jeder sehen, was Sie trainiert haben! "
    Ich war fassungslos. Ich sagte: "Ja, ist doch egal, das passiert hier doch den Meisten.
    Drücken Sie doch einfach, wie ich soeben auch, auf START, und dann legen Sie einfach los
    mit Ihrem Training..."
    "Sie haben mich offensichtlich nicht verstanden" meinte er ,"Ich möchte Ihnen mal was im
    Guten raten. Sie können doch nicht von Jedem Ihre DATEN so einfach einsehen lassen!"
    Da bekam ich doch Angst. Ich überlegte kurz, wandte mich den ANALOG-Geräten zu, an
    denen ich vorher trainiert hatte, und zog überall da, wo man noch meine persönlichen DATEN
    in Form von Gewichtsangaben sehen konnte, die Hebel aus den Gewichtsstöcken, klappte
    auch eifrig Sitz- und Lehnen in den NULLMODUS zurück und verließ das Studio, begleitet
    von den genervten Blicken der dort tätigen Instruktoren.
    Gestern, auf dem Weg zum Supermarkt, dachte ich angestrengt darüber nach, was alles so
    gebraucht wird, die Liste im Kopf wurde immer länger, was mich verwirrte undso ließ ich mich
    auf einer Parkbank nieder, kramte einen Zettel hervor und schrieb mir einen Einkaufszettel.
    Den las ich mir danngründlich durch und ermahnte mich:
    "Komm, Otto, das schaffen wir doch auch so. So eine kleine Gedächtnisübung kriegen wir doch
    noch hin!",zerknüllte den Zettel, warf ihn in den Papierkorb neben der Bank und machte mich froh
    gemut wieder auf den Weg.
    "Halt, Halt! Hören Sie mal...!" hörte ich da hinter mir und blieb stehen.Eine rundliche Dame mit
    feschem, blaugetönten Kurzhaarschnitt und pinker Kastenbrille stürmte auf mich zu und rief atem
    los: "Sie haben da Ihre Zettel in den Papierkorb geschmissen - sind da etwa DATEN von Ihnen drauf?
    "Äh, ja...nein. Ich weiß nicht," stammelte ich.
    Da hielt sie mir eine Vortrag über SENSIBILITÄT und BEWUSSTSEIN und PRIVATSPHÄRE und
    ich stoppte dies indem ich sagte; "Wenn ich es mir recht überlege, war es weiter nichts, nur mein
    Testament, das sein wohlverdientes Ende in diesem Mülleimer fand." und lief davon.
    Der Einkauf im Supermarkt verlief leider recht unbefriedigend, weil ich, wohl aufgrund
    der Störung, die in meinem Kopf abgespeicherten EinkaufsDATEN nicht mehr abrufen
    konnte.
    Die Welt verändert sich. Ich und wahrscheinlich einige Andere kommen so richtig nicht
    mehr mit. Ich erwäge, eine (von Hackern geschützte!) email an das Ministerium für
    Weiterbildung+Kultur zu schicken mit der Bitte, eine kleine, nette Broschüre
    herauszubringen, wo in einfacher Sprache der Unterschied zwischen DATEN, DATEN-
    WEGE und DATENTRÄGER hübsch und bunt dargestellt wird, wobei aber die Gefahr
    einer Variante über die vielen möglichen Weisen, wie ein Medium als seine eigene Bot-
    schaft ( tschuldigung, Mr.McLuhan :) mißverstanden werden kann, immer noch besteht.
    Ich dachte, ich schreib´den Quatsch mal auf, denn abgesehen von dem dummen Witz
    mit dem Testament ist die Geschichte wahr.







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  • Doktor Unbequem
    na das sind ja aufregende geschichten - da scheint jemand ein kleiner abenteurer zu sein...
    ^_^
  • , 9

    na das sind ja aufregende geschichten - da scheint jemand ein kleiner abenteurer zu sein...
    ^_^

    geh kacken du null.
  • efwe
    null ist viel zu wichtig fuer einen der im delirium lebt :)
  • , 10

    null ist viel zu wichtig fuer einen der im delirium lebt :)


    "Einer, der im Delirium lebt" ist viel zu komplex für jemanden, der eine Null ist.

  • , 9
    ich vermittel mal…
    null ist noch viel zu komplex fuer einen der im delirium lebt :)
    "Einer, der im Delirium lebt" ist viel zu nichtig für jemanden, der eine Null ist.
    und ich bitte im gegenzug um verzeihung, dass ich den blödi überhöht habe, indem ich dem ne null über neutralnull zugestanden habe.
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  • Doktor Unbequem
    huihui, schnelle reaktionen.
    immer am ball, was mädelz?
    :)))
  • , 10
    huihui, schnelle reaktionen.
    immer am ball, was mädelz?
    :)))


    Trotz klugem Vermittlungswillen behaupte ich:
    Oben rumgammelnder Kommentar ist keiner auf der soliden Grundbasis "komplexes Hirn" - halt mal delirierend - ruhender, sondern ein waschechter Nullkommentar auf der Nullbasis einer Nullhaltung.

    Quasi ein völlig rendundates Gequarke für die handelsüblich internetgebräuchlichen Selbstverdauungsprozesse.
    Ein waschecht gebräuchlicher Versuch über die Selbstverbödung in die Weltverödung zu plumpsen, ohne es zu merken - wie es abermillionen Deppen tun - auch wenn dieser Schwachkopf keine 15 mehr ist.

  • otto_incognito
    Trübtasse meint: " da scheint jemand ein kleiner abenteurer zu sein..."
    Ich danke dir, Tasse. Das ist ja mal ein Kompliment in trüben Zeiten
    voller trüben Tassen, denen schon die kleine Ahnung eines Abenteuers
    Angst macht vor einem echten Abenteuer...
    :D
    Signatur
  • otto_incognito
    MEINE BUNTE VOGELWELT (die siebte)

    Das oben war schon mal die Überschrift.
    Und jetzt kommt der Rest.

    Wenige Kilometer von hier, rheinabwärts, gibt es in Köln-Stammheim einen wunderhübschen
    Schloßpark mit teilweise sehr alten Bäumen. Das Schönste dort aber ist eine etwa tausend-
    köpfige Kolonie von Alexanderpapageien, die sich dort seit Generationen etabliert haben.
    Ich selber wohne zwar in Stadtmitte, aber auch unser Innenhof ist eine wahre Oase. Eine riesige
    alte Platane, in deren Stamm ein Specht mit seiner Familie wohnt, senkt sanft ihre Äste über
    Wäscheleinen und Balkone und dient darüberhinaus seit Jahren einer lärmenden Horde Raben
    als Ausgangsbasis für ihre täglichen Exkursionen,
    Besonders im Winter ist das sehr schön, wenn morgens aus dem kahlen Geäst eine kreischen
    de schwarze Wolke aufsteigt.
    Aber jetzt ist Sommer.
    Und seit zwei Wochen treibt sich hier ein Papagei im Innenhof herum. Vermutlich ist es ihm in
    Stammheim zu eng geworden und nun versucht immer wieder, sich auf unserer Platane nie-
    derzulassen, um dann jedesmal grob und rücksichslos von der Rabenmeute verjagt zu werden.
    Letztens war es ganz schlimm. Vor meinem Fenster kreischte der Papagei, die Raben zeterten,
    mein Nachbar trat auf den Balkon und brüllte."RUHE!" und ich rannte hinaus, hieß alle zu
    schweigen, hub an und sprach also: "Meine lieben Vögelein, so höret mir zu! Sehet diese
    Platane, sie ist wahrlich groß und bietet vielen Geschöpfen einen nachhaltigen Platz zum Wohnen
    und ich als zertifizierter Kompetenzmanager des Herrn will euch die Augen öffnen und euch soweit
    stärken,auf daß Empathie eure Herzen durchströme und sich euch die frohe Botschaft von
    Inklusion und Integration erschließe in Form eines Selbstwirksamkeitsprozesses, der sogar
    einem kleinen Papagei Partizipationsräume erschließt, denn wisset, ihr lieben Raben, ich habe
    euch zwar sehr lieb, aber so ein bunter Vogel im Baum vor meinem Fenster - das wäre mal
    was zur Abwechslung. Juchheissassa!"
    Owei, das kam nicht gut an. Entgeistert starrten mich die Raben an, um dann in gespenstischer
    Stille weg zu wackeln und erstmal nicht wiederzukommen. Tagelang lag die vereinsamte Platane in
    düsterem Schweigen, sogar der Wind stand still in den Zweigen und nur gelegentlich der Specht
    kletterte mit trübem, gesenktem Blick den Stamm hinab, um den Müll runterzubringen.
    Eine dunkle Ahnung lag über unserem Hinterhof und dann geschah es, just in der Nacht, nachdem
    eine Nachbarin ihre weißen Bettlaken zum Trocknen rausgehängt hatte.
    Bis zum frühen Morgen war ein Tappsen und Trippeln, ein zartes Reißen und feines Krachen
    zu hören und als ich dann ans Fenster trat, sah ich die Bescherung. Auf dem Sims vor mir
    saß ein Rabe, als solcher kaum noch zu erkennen. denn er hatte sich ein Stück weißes Laken
    übergestülpt, vorne waren zwei Löcher in den Stoff gerissen, aus denen mich düster seine
    Augen anfunkelten. Und überall in der Luft schwirrten solcherart weiß vermummte Gestalten
    umher. Unten im Hof stand, schluchzend angesichts der zerstörten Wäsche, meine Nachbarin
    und ich rief. "Raben, oh ihr Raben. was habt ihr getan?!"
    "Wir...!", krächzte es mir vielstimmig entgegen, "...reden nicht mehr. Jedenfalls nicht mehr mit
    dir, du geschwätziger Otto!"
    Und dann erfuhr ich, daß sie den Kuckucksclan gegründet hatten, um die Vorherrschaft der
    Raben in unserem Hinterhof zu begründen und aufrechtzuerhalten und allem Invasionsver-
    suche aus Köln Stammheim abzuwehren.
    Der idyllische Zauber dieses Ortes ist nun verflogen, eine geradezu metallische Atmosphäre
    schlägt einem hier entgegen. Der Specht läßt sich auch kaum noch blicken, aber trotzdem
    muß ich sagen, daß es auch einen Zugewinn an Erhabenheit gibt, sieht man den Kuckucks-
    clan, gehüllt in weißes Linnen, aus dem die spitzen Schnäbel ragen, heroisch vor der kalten
    Bläue eines gleichgültigen Firmaments herumflattern.



    Signatur
  • Doktor Unbequem

    " da scheint jemand ein kleiner abenteurer zu sein..."
    Das ist ja mal ein Kompliment in trüben Zeiten
    voller trüben Tassen, denen schon die kleine Ahnung eines Abenteuers
    Angst macht vor einem echten Abenteuer...
    :D



    ich sehe, du verstehst mich, zumindest partiellellell...!
    :))
  • , 11 zur nulldiskussion
    otto incognito hat doch eigentlich 4 nullen für sich beansprucht...............
    das ist doch schonmal was ....:D
    lgm
  • Doktor Unbequem
    :)))

    Nullies sind aber auch manchmal gaaanz schön wichtig.
    Der Spass hier würde ohne sie gar nicht funktionieren.
    hihaho...
    Signatur
  • otto_incognito
    pieps: ich schrieb+s für dich


    Signatur
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