• Religiöse Kunst

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    Hallo,

    obwohl ich mich ja selbst eher als Atheisten oder Agnostiker sehe, habe ich eine große Vorliebe für religiöse bzw. religiös anmutende Kunst. So liebe ich z.B. die meditativen Bilder von Mark Rothko, die fast mystischen Mammutbrocken von Ulrich Rückriem, aber auch Ikonen, alte und modere, liebe ich.

    Wer interessiert sich sonst noch dafür? Habt Ihr Links, die von Interesse sein könnten? Es gibt ja die Meinung, daß Religion/Mystik die Mutter aller Künste ist. Wie seht Ihr das?

    Liebe Grüße

    Peter
  • Hallo Peter,

    ein neues Thema - und wieder anspruchsvoll :) und so weitläufig, aber ich wage hier mal einen Start.
    Die "Mutter aller Künste" ist wahrscheinlich "das SEIN", das Eigene, der Kosmos. Mythologische und religiöse Themen sind daher ein "gewaltiges" Thema in der Kunst mit einer unerschöpflichen Motivvielfalt.
    Du verwendest den Begriff "religiös anmutende Kunst", also gehe ich hier vorerst nicht auf Kirchenkunst ein, sondern auf religiöse Konnotationen im Sinne eines offenen Kunstwerks.
    Mit einer neuen Psoitionsbestimmung der ev. und kath. Kirchen in den 60-er Jahren erhielten auch avantgardistische Kunstströmungen kirchliche Akzeptanz. Der modernen Kunst wurde ein Anspruch auf Autonomie im religiösen Ausdruck zuerkannt. Das war revolutionär.

    Versuche eine eigene, auf das Individuum ausgerichtete Religiosität zum Ausdruck zu bringen hat C. D. Friedrich bereits Anfang des 19. Jh. gestartet, besonders mit seinem "Kreuz im Gebirge - Tetschener Altar -" [Jahrhundertsprung]
    In den 60-er Jahren des 20. Jh. entstand die interkonfessionelle Kapelle von Rothko in Housten/Texas. 1966 gestaltete Fred Thieler/ Berlin (informel) den Innenraum der Heilig-Geist-Kirche in Emmerich/Niederrhein. Über beide Beispiele gibt es Literatur. Auch Rückriems Kunst gelangte in Kirchenräume.
    Spontan zu dem Thema Religion und Kunst fallen mir noch Barnett Newman (1905-1970) und Günter Uecker ein. In Berlin lief 1990 unter der Leitung von Wieland Schmied eine Ausstellung "Gegenwart Ewigkeit: Spuren des Transzendenten in der Kunst unserer Zeit" (Ausst.Kat.). Das Thema Religion und moderne Kunst beschäftigte mich eine Zeit lang besonders. Es gehörte (übergeordnet) zu meiner Magisterarbeit. Ichbeende das Thema hier ab und bin gespannt auf andere Beiträge.

    - Die religiöse Konnotation von Kunstwerken liegt beim Individuum: beim Künstler als auch beim Betrachter.

    Best Grüße siku
  • , 1
    Hallo, Siku,

    ja, wieder ein neues Thema. Ich habe gezögert, weil ich manchmal denke, ich bin viel zu offensiv. Naja.

    Ja, sicher. Letztendlich läßt sich "alles" auf das "Sein" zurückführen, aber so weit nach hinten wollte ich nicht gehen ;-)

    Der Begriff "religiös anmutende Kunst" war falsch gewählt, verzeih. Ich meinte damit Werke, die gar nicht explizit mit einem religiösen Hintergrund gemalt wurden. Ich habe nur EIN einziges religiöses Bild gemalt, eine Kalligraphie, die ich hier auch vorgestellt habe, eine Art Gekreuzigter. Aber dennoch werden viele meiner Bilder, auch die Farbfeldmalereien, religiös wahrgenommen, als "kontemplative" Bilder, die zur Innewerden anregen. Vor ein paar Tagen bekam ich sogar Post von einem Menschen eines Vereinigung christlicher Kunst, der mir gratulierte, und das einem Menschen, der sich selbst als Agnostiker sieht ;-)

    Du kannst gerne auf Kirchenkunst eingehen. In der Ausgabe 1 der "Zeitschrift für christliche Kunst", "Das Münster" geht es unter anderem auch um "moderne" Wandbilder in Kirchen, und das fand ich hoch interessant. Ich liebe z.B. den sogenannten "Mariendom" in Neviges, ein wunderbares Gebäude von Gottfried Böhm, 1968 fertig gestellt, mit wunderbaren Farbfeld-Fenstern, usw. Ich bin sehr oft in Kirchen, weil ich kirchliche Kunst liebe und die meditative Stille mir sehr gefällt.

    An die Kunstdebatte im Anschluss an das II Vaticanum erinnere ich mich sogar noch. Damals "durfte" man (mußte aber nicht!) Volksaltäre bauen (also Altäre, die "nur" Tische waren, und an denen der Priester vis-a-vis zu den Gläubigen die kath. Messe zelebrierte), und man tat es mit großartigem Mut und wunderbaren Ergebnissen. Ich war damals "sehr katholisch" und nahm sehr rege daran teil, weil mich schon damals das Thema "Kunst in der Kirche" faszinierte, obwohl ich da erst 16 Jahre jung war.

    Das "Kreuz im Gebirge - Tetschener Altar -" hängt übrigens in einer postkartenkleinen Kopie über meinem Schreibtisch, direkt neben dem "Mönch am Meer" von CDF ;-)

    Rothkos Arbeiten empfinde ich gerade als Meditativ-Tafeln, in die man innerlich "hineinsteigen" kann, wobei mir die dunklen (aus seiner Spätphase, die ja voller Depressionen und Leid für ihn waren) meist besser gefallen als die hellen. Im K 20 in Düsseldorf hängt ein Beispiel dafür, ebenfalls im Folkwang-Museum in Essen. Sehr sehenswert!

    Daß Thieler den Innenraum der Heilig-Geist-Kirche in Emmerich gemacht hat, wußte ich nicht. Ich war mal ein großer Freund des Informel (Cavael vor allem, aber auch der Tachist Hartung usw.), und danke Dir sehr für diesen Tip. Da ich in Neuss wohne, ist Emmerich keine große Entfernung für mich...!!! *freu*

    Besonders freut mich, daß Du Rückriem erwähnst. Obwohl er ja Bildhauer ist, ist er eigentlich mein wichtigstes "Vorbild". Ich wohne nur 15 Kilometer von seinem Sinstedener Atelier entfernt, das er vor ca. 10 Jahren bezogen hat, und bin sehr oft dort. Und an einem Spazierweg der Erft, keine 5 km von mir entfernt, steht einer seiner Dolomiten, und das ist oft ein Ziel für mich. Ich finde seine Kunst außerordentlich meditativ und spirituell.

    Barnett Newman (1905-1970) und Günter Uecker kenne ich zu wenig, um mich dazu zu äußern. Aber das läßt sich ja nachholen.

    Darf ich mal nach dem Thema Deiner Magister-Arbeit fragen?

    Sei lieb gegrüßt und danke für Deine Anregungen, die mich freuen.

    Peter
  • Hallo Peter,

    ich finde Dein neues Thema prima und hoffe, dass die Resonanz recht groß wird. Der Begriff "religiös anmutende Kunst" lädt zur Diskussion ein. Ich hatte das nur als Einleitung benutzt, nicht als Kritik.
    Scheint so, als wenn uns zeitweise das gleiche Thema umtreibt (auch Friedrich und Nay gehören dazu).
    So ein "Volksaltar" wie Du ihn beschreibst steht (oder stand auch in Emmerich). Der Pfarrer hat dort in den 90er Jahren gewechselt, möglicherweise ist die Kirche "renoviert" worden. Mit dem "Volksaltar" verlor das traditionelle Altarretabel in der Liturgie an Bedeutung. Kirchenkunst ist traditionell stärker in der katholischen Kirche verhaftet und längst nicht jede Gemeinde wählte diese Neuerung. Vielleicht berichtest Du einmal über Deinen Besuch. Ich würde mich freuen :)
    Uecker hat sich im Internet zu seinen religiösen Arbeiten ausgiebig geäußert. Seine religiösen Wandlungen im Zuge der Zeitströmungen sind lesenswert.
    Der Berliner Ausst.Kat. bietet einen sehr guten Überblick über das Thema, man kann den "Wälzer" in der Bibliothek ausleihen, auch Fernleihe lohnt sich.
    Ich habe mir Deine Arbeiten in der "Galerie" in Bezug auf das Thema noch einmal genauer angeschaut. Das von Dir erwähnte Bild war nicht mehr dabei - oder? Aber das in der "geheimnisvollen" Technik gemalte Aquarell mit den Kreisvarianten weißt doch, neben einigen anderen Motiven, besonders in diese Richtung? - aber Internet bleibt auch nach gutem Zureden Internet :shock: . Da bleibt die "Aura" des Bildes auf der Strecke.
    Ich habe über gegenstandslose Motive auf traditionellem Kirchenformat geschrieben, bei denen die Künstler selbst auf eine religiöse Deutung hingewiesen haben. Wenn Dich Näheres interessiert wähle bitte pn.
    Ich hoffe auf eine spannende Diskussion zu Deinem Thema mit möglichst vielen Meinungen.
    Schönste Grüße siku
  • , 1
    Guten Morgen, Siku,

    >Scheint so, als wenn uns zeitweise das gleiche Thema umtreibt
    >(auch Friedrich und Nay gehören dazu).

    :-) Apropos Nay: ich habe die Ausstellung in Essen besucht, Aquarelle von Nay. Es ist verblüffend, wie man auch anhand der Aquarelle alle seine "Phasen" durchlaufen kann, das ist wirklich ganz außerordentlich. Seine Aquarelle sind ja eher "Nebenkampfstätten" für ihn gewesen, und dennoch zeigen sie den "ganzen" Nay...

    Ja, diese Volksaltäre finden sich nicht in allen Kirchen. Das war und ist in erster Linie in Gemeinden der Fall, die in den 60er und 70er Jahren progressiv waren, oder zumindest einen progressiven Pfarrer hatten.

    Wenn ich in Emmerich war, werde ich gerne davon berichten. Aber vor Oktober wird das nicht der Fall sein, denn ich habe keinen Führerschein, und bin da auf meine Privat-Chaffeuse (meine Frau) angewiesen... ;-)

    Hast Du zufällig irgendwelche Links zu Uecker-Äußerungen bzg. Religion? Falls nicht, werde ich googeln.

    Ja, das Bild, das ich meinte, habe ich aus der Galerie entfernt. Ich muß immer mal was entfernen, weil man ja nicht mehr als 20 oder 30 Bilder hochladen soll, ist auch in Ordnung. Man kann ja immer mal was austauschen. Das "richtig" religiöse Bild, das ist meinte, ist dieses hier:

    [gelöscht]

    Ich bin von dem Thema "Kreuz" sehr fasziniert, und da ich Jesus Christus für einen sehr weisen und guten Menschen halte, habe ich mal so etwas getuscht. Es ist auch auf meiner Website.

    >Aber das in der "geheimnisvollen" Technik gemalte Aquarell mit
    >den Kreisvarianten weißt doch, neben einigen anderen Motiven,
    >besonders in diese Richtung?

    Ich weiß es nicht. Wie gesagt, ich male (außer diesen einen Fall, s.o.) niemals "bewußt" religiös. Was nach dem Malprozesse daraus zu ersehen ist, ist selbst für mich spannend.

    > - aber Internet bleibt auch nach gutem Zureden Internet :shock: .
    > Da bleibt die "Aura" des Bildes auf der Strecke.

    Das ist richtig. Wohnst Du zufällig in der Nähe von Wuppertal? Dann könntest Du Dir einige Bilder von mir auch in der Galerie Wittenstein ansehen.

    Apropos: Malst Du eigentlich auch, oder bist Du "eher" Kunsthistorikerin?

    Und was ich noch gerne wissen würde: Hast Du schon mal die Rothko-Chapel gesehen? Ich war zwar schon mal in USA, aber in einer völlig anderen Gegend...

    Sei lieb gegrüßt

    Peter
  • Hallo Peter,

    Re. auf Deine Morgenpost.
    Ob die Aquarelle wirklich den ganzen Nay widerspiegeln - da habe ich aber Zweifel :?
    Kleiner Lit. Tipp: E.W. Nay: Vom Gestaltwert der Farbe, Fläche, Zahl und Rhythmus. München 1955

    Versuch vielleicht die Internetsuche mit folgenden Verknüpfungen: "Der geschundene Mensch", "Norbert Jocks (oder Nocks)", "St. Petri Lübeck", aber es müssten mehr Links vorhanden sein. Ich habe jetzt nichts ausprobiert. Der Deutsche Bundestag in Berlin hat, glaube ich, auch einen Andachtsraum, der im Internet vorgestellt wird.

    Das "nicht bewusst religiöse Malen" der dann dem offenen Dialog überlassenen Arbeiten, ist eine häufig genannte Äußerung der Künstler :) . Das Sublime, das Numinose und Spirituelle wird dem Betrachter nicht angetragen. Wie stark das Bild religiöse Empfindungen hervorruft, hängt weitgehend von der Vorerfahrung des Anschauenden ab. - Die Diskussion bleibt weitgehend im Abstrakten verhaftet, weil kaum jemand seine "religiösen" Empfindungen vor einem Bild öffentlich erklärt. Kenne ich den Maler und sein Lebensgefühl oder werden die Arbeiten von einem Altarraum auratisch umfangen, fällt mir der religiöse Bezug leichter. Manchmal wird dieser ja auch von Kunstkritikern angeregt oder sogar behauptet.
    Religiös thematisierte Arbeiten (Motive aus der Bibel, christliche Symbole) stehen der freien Malerei/ Bildhauerei nicht nach, sie sind ihr vielfach überlegen.

    Das ein Mensch leidet, ist in Deiner Tuscharbeit nachvollziehbar, vorausgesetzt, es handelt sich um die Vorderansicht der Figur. Denkt man sich die Figur jedoch von der Rückenansicht, könnte es sich auch um eine siegreiche Person handeln. "Es ist vollbracht" lässt beide Möglichkeiten zu.

    Wuppertal ist weit weg, da komme ich leider nicht so schnell hin :( .
    Nein: ich male nicht!
    "The Rothko Chapel" kenne ich auch nur aus der Literatur als interkonfessionelle Kapelle und interkulturelle Begegnungsstätte für religiöse Andachten, philosophische Colloquien und Performances.

    Schöne Abendgrüße :) siku
  • , 1
    Guten Tag, Siku,

    danke für die Suchtips, das werde ich machen.

    Mit meiner Bemerkung des "ganzen Nay" meinte ich eigentlich, daß man seine Phasen an den Aquarellen sehr gut ablesen kann. Nay bzw. seine Frau spricht ja auf seiner Homepage selbst von diesen Phasen, und die waren durchaus alle "in Aquarell" vorhanden.

    Nays "Gestaltwert" habe ich natürlich gelesen. Aber Nay hörte ja 1955 nicht auf ;-)

    Wie Du mein Bild siehst, so habe ich es nie gesehen. Ja, man kann es "beidseitig" "lesen", danke für den Hinweis :-)

    Momentan scheint es keinerlei weiteren Bedarf an dieser Diskussion zu geben, was ich schade finde. Aber vielleicht gibt es ja auch noch Nachzügler.

    Ich sende Dir einen lieben Gruss

    Peter
  • peter schnaak
    Hallo Peter
    Ich bin um dieses Thema schon seit seinem Erscheinen herumgeschlichen, aber was dazu schreiben?
    Mich interessiert religiöse Kunst oder besser gesagt wie manifestiert sich religiöses Gedankengut in bildkünstlerischen Formen. Ich habe mich vor über 10 Jahren mit der Geschichte vor allem der byzantinischen und russischen Ikonenmalerei auseinandergesetzt. Es gibt einen wunderschönen Film von Andreij Tarkowski, „Andreij Rublijow“ über einen Ikonenmaler des 14. Jahrhunderts, wo auf geniale Weise das Verhältnis zwischen Kunst, Macht, Religion, Gott und Realität dargestellt ist mit strengen eindringlichen und genauen Bildern wo ich vor Begeisterung zu fast jeder Szene einen Sermon hätte(bleiben lass`...) :!:
    Was ich an dieser Kunst (Ikonen) so interessant finde ist das Spannungsfeld zwischen fest vorgeprägter Form und der letztlich doch individuellen Form die ein großer Künstler (z.B. Rublijow) in diese einschreiben kann. Zeitweise glaubte ich gar dass ein Künstler innerhalb eines solchen strengen Regelwerkes seine Individualität am stärksten ausdrücken kann/muss. Heute bin ich mir da nicht mehr so sicher.
    Eine ähnliche Ausgangslage habe ich bei den Malern der religiösen Rollbildern der Tibeter(Tangkas oder Tankas?)gefunden. Da gewinnt eine Formenwelt durch ihre, scheinbar, stereotype Wiederholung an Gewalt. Überdies in sehr zierlichen Formen.
    Das lässt an die gebetsmühlenartige Wiederholung heiliger Worte (Mantras) denken.
    Die Gebetsmühlen enthalten auch wirklich nichts weiter als Kalligrafien dieser heiligen Worte.
    Aus der Blütezeit des Mahajanabuddhismus im heute vorrangig hinduistischen Indien sind großartige Werke der Bildhauerkunst überliefert. (Mathura,Sanci) Ebenso reichhaltig die Freskenmalerei.(Höhlenklöster) Da ich nur im Norden Indiens war, habe ich die Fresken, vorrangig in Südindien, leider nicht im Original sehen können
    Was mich daran beeindruckt ist eine ungeheure Sinnlichkeit die komischerweise doch etwas geistiges bezeichnet.. Aber es muss Bildbände darüber geben. Das Indische Museum in Berlin Dahlem ist auch ganz gut, um sich einen Überblick über diese Welt zu verschaffen. Auch entlang der Seidenstrasse wurden tolle Sachen gemacht. (einige Beispiele in Dahlem)
    Diese großen Buddha Statuen in Afghanistan, welche die Turbanträger in die Luft gesprengt haben, gehören auch in diese Kultur. Im Fachchinesisch heißen die Epochen Gandhara(mit überraschenden griechischen und römischen Einschlag)
    Kushana, Gupta (mein persönlicher favorit)und ä., vielleicht findet man ja im Netz Abbildungen, ich kann ja gleich mal nachsehen.

    Liebe grüße peterschnaak und gute nacht
    Signatur
  • , 1
    Guten Morgen, Peter,


    Mich interessiert religiöse Kunst oder besser gesagt wie manifestiert sich religiöses Gedankengut in bildkünstlerischen Formen.


    Genau das ist der Punkt, den ich hier eigentlich zur Diskussion stellen wollte, aber mir fehlten die richtigen Worte. Zeigt sich Religion (oder Spiritualität) in den Werken der Künstler?

    Ich habe mich vor über 10 Jahren mit der Geschichte vor allem der byzantinischen und russischen Ikonenmalerei auseinandergesetzt. Es gibt einen wunderschönen Film von Andreij Tarkowski, „Andreij Rublijow“ über einen Ikonenmaler des 14. Jahrhunderts, wo auf geniale Weise das Verhältnis zwischen Kunst, Macht, Religion, Gott und Realität dargestellt ist mit strengen eindringlichen und genauen Bildern wo ich vor Begeisterung zu fast jeder Szene einen Sermon hätte(bleiben lass`...) :!:

    Ich freue mich, daß Du a) Tarkowski erwähnst (dessen Spätwerk ich allerdings nur kenne; vermutlich ist der genannte Film ein früheres Werk, oder?) und vor allem b) Ikonen. Ich habe mehrfach das Ikonenmuseum in Frankfurt besucht, und vor einigen Jahren das in Recklinghausen. Man kann als Künstler sehr viel von diesen alten Meistern lernen, von ihrem Umgang mit Farben, Formen, Figuren. Alles hat eine tiefere Bedeutung, ohne daß der Betrachter das aber "wissen" muß. Er "spürt" es. Ich selbst habe drei wunderschöne Ikonen (leider nur Kopien, aber handgemalte), von denen zwei hier über meinem Schreibtisch hängen und eine im Atelier. Angesichts dieser Meister werde ich oft ganz ganz klein...

    Was ich an dieser Kunst (Ikonen) so interessant finde ist das Spannungsfeld zwischen fest vorgeprägter Form und der letztlich doch individuellen Form die ein großer Künstler (z.B. Rublijow) in diese einschreiben kann.


    Ich denke, das macht die großartige Kunst dieser Werke aus. Sie sind ja nicht nur Meditations-"Objekte", sondern im Glauben der orthodoxen Kirche sind sie göttlichen Ursprungs, und dementsprechend ist ihre Verehrung des "Ausführenden". Um so schlimmer wird es von den Menschen in Rußland auch empfunden, daß Banden diese "Gotteswerke" rauben und im Westen an Ungläubige verkaufen, die damit ihre Wohnzimmer schmücken, ohne einen inneren Bezug zu den Werken zu haben.


    Eine ähnliche Ausgangslage habe ich bei den Malern der religiösen Rollbildern der Tibeter(Tangkas oder Tankas?)gefunden. Da gewinnt eine Formenwelt durch ihre, scheinbar, stereotype Wiederholung an Gewalt. Überdies in sehr zierlichen Formen.


    Apropos Tangkas: Es gibt ja in der tibetischen Tradition auch die Mandalas, die immer aus farbigem Sand hergestellt werden. Ein Windhauch... Und sie sind weg! Und dennoch werden diese Mandalas als höchste Kunst aufgefaßt, so flüchtig wie ein Windhauch, und dennoch sind die Mandala-Maler, die vom Dalai Lama authentifiziert und ernannt werden, hoch angesehen. Das ist Kunst für den Augenblick, für den spirituellen Augenblick, und nicht "für die Ewigkeit"...

    Die Gebetsmühlen enthalten auch wirklich nichts weiter als Kalligrafien dieser heiligen Worte.


    Es ist eine vierunvierzigtausendfache Wiederholung der heiligen Silbe OM. Ich habe eine Gebetsmühle hier, und habe das Stück Papier vor Jahren mal ausgewickelt. Es war fast 1 qm groß und es stand wirklich nur eine Silbe darauf, sich immer und immer wiederholend...

    Fresken...

    Was mich daran beeindruckt ist eine ungeheure Sinnlichkeit die komischerweise doch etwas geistiges bezeichnet..


    In allen indischen Traditionen, auch im Buddhismus, ist die Verbindung von Geist und Sinnen, von Körper und Seele, von Profanik und Erhabenheit etwas ganz selbstverständliches. Ich denke, nur die monotheistischen Religionen trennen scharf zwischen Diesseits und Jenseits, zwischen Hier und Dort.

    Gandhara(mit überraschenden griechischen und römischen Einschlag)


    Oder aber mit Einschlag des Indischen in der römischen und griechischen Kultur? Ich las mal, daß einige Forscher annehmen, daß auch das Christentum in seiner Entstehungszeit von indischen Mönchen, die im Nahen Osten weilten, "abgekupfert" hat.

    Meine Güte, wo sind wir denn jetzt gelandet? *lach* Aber interessant...

    Liebe Grüße und Dir und allen einen angenehmen Tag (hier ist wieder ein schöner Spätsommertag, herrlich...)

    Peter
  • peter schnaak
    Erstma- einige Links





    Zu dem Thema hat ein gewisser Dionysios Pseodoaeropagitas in der Spätantike ein Werk geschrieben. Dann wurde im Laufe des Ikonoklasmus auch theoretisch darüber diskutiert
    Den Ikonen wird eine magische Macht zugeschrieben sie haben an einem göttlichen Kosmos Teil. Die Darstellung von Christus als Porträt war übrigens bis Kaiser Konstantin in der Urgemeinde offiziell verboten. Dann wurde der römische, nun Christliche, Kaiserhof als Abbild des himmlischen Jerusalem angsehen und wo es ein Porträt des irdischen Herrschers gab, wurde eins des Himmlischen möglich.
    Ich fand das damals alles eher ernüchternd. Anhand der Geschichte kann man sehen wie Religion ein Spielball der Politik ist.
    Das Bilderverbot wurde übrigens in Byzanz eigeführt weil die Mönchsklöster durch die Herstellung solcher "Devotionalien" wirtschaftlich und infolge dessen auch geistig zu unabhängig von den offiziellen THeologen des Kaiserhofes wurden. es hat hundert Jahre gedauert bis die sich einig geworden sind was man nun darf und was es ist, was die Künstler da tun.
    Es freut mich das Du den Andreij Rublijow noch nicht kennst dann hast du noch ein tolles Erlebnis vor Dir! Er ist, glaube ich, von 1967,
    sein zweiter Film. Ich beneide Dich, das ist ein Film den ich immer zum ersten mal sehen möchte.
    Als ich noch ein teeni war habe ich ein Buch eines russischen Kunsthistorikers uber die perspektive der Ikonen gelesen und da wurde dargestellt dass die Perspektie "umgedreht" wurde, sodass sich die Fluchtlinien im Betrachter treffen. Genial!
    Ich denke da gibt es einige formale Mittel, jedenfalls halte ich die Meinung das die das nicht besser konnten für keine gute Theorie, die waren hochbewust in der Ausübung ihrer Mittel.
    Was den Raub der Ikonen angeht da habe ich auch einige haarsträubende Geschichten gehört, "ach Ikone dir zu teuer dan wir nehmen Fuchsschwanz und machen kleine bild draus", war noch unter den Sowjets. Das gleiche Problem gibt es ja bei der indischen Kunst. Nepal war nach seiner Öffnung für westliche Besucher(und Kunsträuber) 1957 schon zehn jahre später der meisten Bronzefiguren beraubt. Da gibt es ebenso haarstäubende Geschichten. Mein "Torso" bezieht sich übrigens auch auf eine dieser Geschichten. (Die Gäubigen haben die Bruchstellen der abgeschlagenen Gliedmaasen mit roter Fabe markiert, sie "bluteten")

    Ich war in Srinagar in Kashmir an einem inoffiziellen Jesusgrab
    Sie meinen dort er hat die Kreuzigung überlebt und ist dann nach Kashmir emigriert...
    Soweit ich weiss geht der griechiche Einfluss auf Alexander dem großen zurück der ja Indien bis zum Indus erobert hat. Die Römer hatten über die Seidenstrasse Kontakt. Die gesammte Frühindische Kunstgeschichte wird übrigens nach einer kleinen Lakshmi datiert die man in Pompei fand weil die indische Gechichtsschreibung zwar anhand der Königslisten sortiert aber nicht absolut datiert wérden kann.
    Die ähnlichkeit der Darstellungen buddhistischer und frühchristlicher Kunst ist wirklich erstaunlich ohne das man genau wissen müsste wer bei wem abgeschrieben hat.
    so ich geh jetzt dengeln
    Gruß Peterschnaak
    Signatur
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